Fortsetzung: 2

 

 

 

15. Ich erkannte die komplexe Problematik sehr frühzeitig

 

Bereits in den ersten Tagen meiner dienstlichen Praxis hatte ich ein Erlebnis, das für meine gesamte berufliche Prägung sehr wichtig war. Es ging um einen Fall, der auf der Kippe zwischen Körperverletzung und versuchtem Totschlag stand. Es war eine brisante Lage, weil viele Menschen anwesend waren, die Stimmung war aufgeheizt. Die zunächst tätigen Beamten waren sehr nervös, sie waren von der Situation sichtlich überfordert. Sie verliessen zusehends den Pfad objektiven Handelns und traten von vornherein sehr massiv auf. Sie nahmen einen einzigen Hinweis zum Anlass, blindwütig einen am Ort befindlichen Mann als Täter zu verdächtigen. Sie überprüften den Hinweis weder auf logische Übereinstimmungen noch darauf, ob die überprüfbaren substantiellen / materiellen Details dazu passen könnten.

 

Ich war zunächst nur unterstützend tätig, griff dann aber regelnd ein, weil ich feststellte, dass sich im Rahmen der ersten Befragung ein verhängnisvolles Wechselspiel entwickelte, in dem der "Tatverdächtige" in einen verhängnisvollen Strudel geriet. Er tat im Prinzip alles, um den bislang vagen Verdacht durch seine eigenen Aussagen zu verstärken, natürlich nicht wissentlich und schon gar nicht absichtlich. Er war durch die Situation völlig überfordert. Seine Einlassungen und sein Verhalten wirkten teilweise sehr paradox, ergaben aber nicht ansatzweise eine logische Übereinstimmung mit dem Tatgeschehen. Zudem fehlten alle Spuren, nicht einmal Blutspuren waren vorhanden, in diesem Fall war eine Übertragung  zwingend zu erwarten. Ich konnte den tatsächlichen Täter dann noch in der Nähe des Tatorts festnehmen, bei ihm wurden alle entsprechenden Spuren gefunden, er war geständig. Begonnen hatte das ganze damit, dass zwei "Zeugen" falsche Hinweise geliefert hatten. Ihr Verhalten lag schon auf der Grenze zum bedingten Vorsatz. Es waren ein Mann  und eine Frau vom Typ "Kleinkarierte Wichtigtuer ohne Verantwortungsgefühl". 

 

Den falschen Tatverdächtigen habe ich anschliessend eingehend befragt, mich interessierte warum er so seltsam reagiert hatte.

 

Er sagte, in dem Moment, als er mit dem Verdacht konfrontiert worden wurde "sei so eine Art Buschfeuer" in seinem Kopf ausgebrochen und habe seinen Verstand völlig blockiert. Ihm fehle auch jegliche Erinnerung bezüglich seiner eigenen Äusserungen. Die sofortige massive Vorgehensweise der zuerst einschreitenden Beamten habe bei ihm aber sogar die "kurz anhaltende Befürchtung" ausgelöst, er könne >irgendetwas< Unrechtes begangen haben.

 

Eine kurze Anmerkung zu den beiden Beamten. Sie hassten an ihrem Beruf nur einen Aspekt: Jede konkrete dienstliche Tätigkeit zwischen Dienstbeginn und Dienstende. Weitere Erklärungen muss ich wohl nicht anfügen.

 

Der Betroffene war völlig integer, er war bisher noch nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen und konnte sehr eindrucksvoll schildern, was dieser falsche Verdacht in ihm ausgelöst hatte. Seine Schilderungen vermittelten Erkenntnisse, die man auch in 5 Jahren Studium nicht erlangen kann. Wenn man einen solchen Fall live erlebt hat, dann müsste das bei jedem verantwortungsbewussten Beamten oder Richter ein unlöschbares Warnlicht anzünden. Bei mir war das der Fall. Das hat mich in meiner ganzen Laufbahn vor fehlerhaften Ermittlungen bewahrt. 

 

Es folgten immer wieder ähnliche Fälle. Es bestätigte sich stets, dass besonders bei Betroffenen, die in einer akuten Lage ohne jegliche Vorabklärung unangemessen massiv / aggressiv mit einem falschen Verdacht konfrontiert wurden, die gleiche Verwirrung eintrat.

 

Durch die Analyse zahlreicher Fälle, in denen sich ein Verdacht als falsch herausstellte,  konnte ich feststellen, dass die Betroffenen vielfach grosse Probleme hatten, die tatsachenwidrigen Vorwürfe zeitnah zu entkräften. Beim Vergleich mit Fällen, in denen tatsächlichen Straftätern eröffnet wurde was ihnen vorgeworfen wird, stellte sich heraus, dass diese vielfach im Vorteil waren. Nicht selten konnten sie durch geschicktes Taktieren den Kopf zunächst oder auch nachhaltig aus der Schlinge ziehen, weil sie gezielt auf kritische Fragen reagieren konnte.

 

Meine Untersuchungen erfassten viele Fälle über viele Jahre und das ist das Ergebnis:

 

 

Im Zweifelsfall hat jeder tatsächliche Straftäter

eine mindestens hundertfach bessere Chance,

sich der Strafverfolgung zu entziehen,

als dass sich ein Mensch ohne grossen Aufwand aus der Zwickmühle befreien kann,

 in die er durch einen falschen Verdacht geraten ist.

 

Der tatsächliche Straftäter

kann durch geschickte Lügen ausweichen,

ihm können Ablenkungsmanöver und Ausflüchte helfen.

 

Wer durch einen falschen Verdacht belastet wird

hat diese Chance nicht.

Lügen kann er schon deshalb nicht, weil er nicht weiss wo und wie.

Schweigen nützt ihm auch nichts, das verstärkt nur den Verdacht.

 

Wenn er auch noch Ermittlern in die Hände gefallen ist,

die nur den Fall so schnell wie möglich abschliessen wollen

und die fahrlässig oder vorsätzlich

die Logik,  die Gesetze und alle kriminalwissenschaftlichen Parameter missachten,

die vielleicht auch noch befangen sind,

dann sind seine Chancen auf baldige Rehabilitierung schlechter

als die Chancen zur Flucht für einen Regenwurm,

der sich schon Magen eines Raubfisches befindet.

 

Es ist paradox, aber eine Tatsache:

Beim Vergleich der Bedingungen für echte und falsche Tatverdächtige

war eindeutig erkennbar, dass die irrtümlich beschuldigten Tatverdächtigen

häufig länger und härter unter Druck gesetzt wurden

als die wirklichen Täter.

 

Ein echter Straftäter hat letztlich immer eine Trumpfkarte in der Hinterhand:

Er könnte gestehen und sich dadurch Vorteile verschaffen.

 

Der falsch Verdächtigte hat eine solche Karte nicht,

er kann nichts gestehen,

demzufolge wird er als uneinsichtig eingestuft

und dann geht die Hatz richtig los…

 

©By Hans-Günter Brasche 2015

 

 

Im Rahmen meiner Forschungen, die schon von vornherein auch auf das Thema "Falscher Verdacht" ausgedehnt worden waren, konnte ich diese Erkenntnisse weiter vertiefen. In einem Buch, Arbeitstitel: Polizei im Rechtsstaat, wollte ich spätestens 1994 auch meine Erkenntnisse zum Thema "Falscher Verdacht" veröffentlichen. Darüber hinaus hatte ich die vielen Schwachstellen untersucht, die unser System der Strafrechtpflege so angreifbar machen. Das fertige Manuskript verschwand in der Nach zum 29.11.1993, nach einem heimtückischen Anschlag auf dem Gelände meiner Dienststelle. Ich schrieb ein neues Manuskript. Am 21.04.1997 verschwand auch das neue Manuskript aus meinem Arbeitszimmer. Auch weitere Manuskripte mit ähnlichen Themen waren verschwunden. Natürlich inklusive aller Sicherungs-Datenträger. Deshalb veröffentliche ich jetzt die wichtigen Themen zunächst alle online.

 

Ich widme diesem Thema seit Anfang der 1980er Jahre sehr viel Aufmerksamkeit. Ein wesentlicher Impuls wurde durch das Buch von Regina Lange ausgelöst: "Fehlerquellen im Ermittlungsverfahren", Kriminalistik-Verlag, Heidelberg, ISBN 3-7832-0480-1. In diesem Buch wurden 110 Wiederaufnahmeverfahren ausgewertet. Das Projekt wurde von der Forschungsstelle für Strafprozess und Strafverfolgung der Universität Tübingen bearbeitet. Diese Erkenntnisse deckten sich mit den Beobachtungen, die ich schon lange in der Praxis sorgfältig dokumentierte. Dadurch konnte ich auch meine These von der "Inhomogenität der Strafrechtspflege" weiter untermauern. Ich erkannte, dass sich zwischen allen Institutionen, die an einem Strafverfahren mitwirken, immer grössere Lücken bezüglich der Koordinierung, der gegenseitigen Akzeptanz und des Verständnisses aufbauten. Ich begann auch unverzüglich mit dem Start eines Projektes, mit dem ich Abhilfe schaffen wollte. Die konkrete Weiterführung wurde jedoch in der Nacht zum 29.11.1993 erstmal "schlagartig" ausgebremst.

 

Es waren nicht nur die schlimmen Folgen für die unmittelbar Betroffenen, die mich alarmierten, vielmehr erkannte ich schon nach kurzer Zeit, dass jeder Einzelfall eine multiple Folgenkette hinterher zieht, wodurch Gefahren für den Rechtsstaat entstehen. In den Jahren zuvor war mir schon im Rahmen dienstlicher Tätigkeiten aufgefallen wie häufig es derartige Fälle gibt. Es gab damals schon deutliche Anzeichen dafür, dass die Häufigkeit einen progressiven Verlauf nehmen wird.

 

Zudem stellte ich gleichzeitig fest, dass die Bedeutung der berufsethischen Grundsätze innerhalb der Polizei, der Staatsanwaltschaften und der Strafgerichte bei Polizeibeamten, Staatsanwälten und Strafrichtern in einen rapide zunehmenden Sinkflug gegangen war.

 

Ich will nicht behaupten, dass die Beachtung ethischer Grundsätze im Bereich der Strafrechtspflege jemals überhaupt eine besondere Bedeutung hatte, aber der rasch fortschreitende Verrottungsprozess fiel trotzdem auf. Ich war beileibe nicht der einzige dem das auffiel, aber die Gleichgültigkeit war bereits das Mass der Dinge geworden, sie tötete das Verantwortungsbewusstsein immer gründlicher. Polizeibeamten, Staatsanwälten und Strafrichtern, die Anfang der 1980er am Ende eines Tages mal laut darüber nachdachten, ob alles richtig war, was in den letzten Stunden passierte, empfahl man mit spöttischem Grinsen "auf Sozialarbeiter" umzusatteln.

 

In dieser schon prekären Lage kam es dann auch noch zu Verflechtungen mit anderen Problemen. Immer häufiger torpedierten inzwischen viele "anarchistisch / links gestrickte" Agitatoren die sachgerechte Arbeit der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der Gerichte. Jeder Beamte und Richter, der konkludent und konsequent handelte, wurde immer häufiger als  "obrigkeitshöriger Büttel, Scherge oder sogar Nazi" beschimpft.

 

Brisant war: Die grössten Probleme waren internen Ursprungs. Immer mehr Personen aus der APO (Ausser-Parlamentarische-Opposition) hatten inzwischen, den angekündigten "Marsch in und durch die Institutionen" in die Tat umgesetzt, waren Polizeibeamte, Staatsanwälte und Richter geworden. Die stellten nun Recht und Unrecht auf den Kopf und es gelang ihnen immer häufiger, das gesamte System der Strafrechtspflege zu blockieren, vorsätzlich oder auf Grund "fehlerhafter Programmierung". Die Grabenkämpfe, die damals begannen, setzten die Ursachen für die vielen gegenwärtigen Probleme.

 

Je weiter und tiefer ich die Entwicklung erforschte, desto mehr Problemfelder und Verstrickungen erkannte ich. Ich werde das im weiteren Verlauf und unter anderen Überschriften noch näher ausführen.

 

16. Die Wurzeln dieses Problems

 

Die Grundursache für die heutigen Schwierigkeiten mit dem Thema Recht und Unrecht entstanden weit oberhalb aller konkreten Einzelfälle. Die zunehmende Zahl von Einzelfällen, in denen der Staat seine Pflichten bezüglich der Gewährleistung von Recht und Gesetz verletzt, ist auf die Veränderungen zurückzuführen, die seit 1968 unser ganzes Gesellschaftssystem vielschichtig und überlagernd umkrempeln und gefährlich untergraben. Seit dieser Zeit schwindet die Rechtssicherheit immer mehr, weil die "Sterilität", die für die neutrale Klärung aller juristischen Fragen notwendig ist, absolut nicht mehr gegeben ist.

 

Anmerkung: Der letzte Absatz bezieht sich ausnahmsweise nicht nur auf das Thema falscher Verdacht. Hier ist auch die Tatsache einbezogen, dass es immer mehr Straftätern gelingt, sich der Verantwortung vor Gericht zu entziehen oder die sogar im Fall schwerer Straftaten mit einer lächerlichen Geldbusse davon kommen.

 

Daraus resultiert wiederum auch die Tatsache, dass auch immer häufiger Beamte und Richter nicht die Folgen tragen müssen, die ihnen auf Grund schwerer Pflichtverletzungen im Amt von Gesetzes wegen eigentlich drohen. Auch sie können sich deshalb immer häufiger einem Strafverfahren entziehen.

 

Diese Wirkungskreisläufe haben die "scheinbaren Weltverbesserer der 1960er Jahre" auf Grund ihrer tiefgründigen geistigen und sozialen Beschränktheit nicht einkalkuliert.

 

Über die Folgen jammern inzwischen diejenigen am meisten, die sich Ende der 1960er Jahre am eifrigsten für die Abschaffung unseres Kultur- und Wertesystems engagiert hatten.

 

Es sind sehr komplexe Prozesse, die dadurch ausgelöst wurden, dass ab Mitte der 1960er Jahre zunächst die Wertigkeit aller allgemein gültigen ethischen Grundsätze verwässert wurde. Es dauerte nicht lange und es begann auch ein galoppierender Niedergang der berufsethischen Grundsätze. Der Wert berufsethischer Grundsätze sank sehr bald auf einen Stand der noch niedriger lag als der  Level des allgemeinen Werteverlustes.

 

Die Folgen in den Behörden, besonders solchen mit Sicherheitsaufgaben, den Staatsanwaltschaften und Gerichten waren und sind katastrophal.

 

1981, nach einem Jahr intensiver Forschung konnte ich mit Hilfe der Mitglieder des unterstützenden Netzwerks die banale aber niederschmetternde Hauptursache für den steilen Niedergang der berufsethischen Grundsätze präsentieren.

 

Durch die Verwässerung der allgemein anerkannten ethischen Grundsätze, die nach 1968 stark beschleunigt ablief, fühlten sich grosse Teile der Bevölkerung plötzlich "befreit von allen Fesseln der sogenannten Spiesser-Gesellschaft". Irgendwie war es plötzlich "angesagt und modern", sich als völlig befreit von allen "bürgerlichen Zwängen" zu präsentieren.

 

Die Beamten und Richter, die ja damals durch das Beamten-und Richterrecht noch viel stärker in einen engen Rahmen gepresst waren als alle anderen Bürger, auch in der Freizeit, blickten neidvoll auf den Rest der Bevölkerung. Also gingen sie auf die Überholspur und "befreiten sich auch von allen lästigen Fesseln", durch die sie bis dahin noch zu eigenverantwortlichem Handeln und einem würdigen Allgemeinverhalten gezwungen waren. Aber sie machten das viel gründlicher.

 

So ist das eben, nichts passiert ohne Folgen und Reaktionen. Das sollten sich auch die Neurotiker hinter die Ohren schreiben, die auch gegenwärtig ständig von Reformen und Modernisierung reden, allerdings auch wiederum, wie die 68er, ohne den erforderlichen Weitblick und ohne konkrete Pläne und Ziele.

 

Es ist nur der erste Anriss eines komplexen Themas. Ich werde diese Zusammenhänge an anderer Stelle in einem erweiterten Rahmen darstellen. Der rücksichtslose Umgang mit Menschen, die durch einen falschen Verdacht geschädigt wurden, ist ja nicht das einzige Problem, das durch den weitgehenden Untergang unseres Kultur- und Wertesystems entstanden ist. Eine weitere zentrale Folge war die ungebremste Ausdehnung der vollflächigen Korruption. Daraus entwickelte sich ein Ursachenbündel, das dazu beigetragen hat, dass sich unser Staat inzwischen im Zustand einer tiefgründigen Rechts-Verwahrlosung befindet.  

 

Ich wollte durch diese ersten Anmerkungen dafür sorgen, dass die Suche nach den Ursachen nicht von vornherein auf dem falschen Gleis endet.

 

17. Meine eigenen Grundsätze

 

Schon als Kind habe ich es niemals hingenommen, wenn mir zu Unrecht irgendeine Verfehlung angelastet wurde. Aber es machte mich auch stets betroffen, wenn anderen Unrecht widerfuhr und ich habe versucht zu helfen. Es war für mich deshalb auch schon vor Beginn meiner ersten dienstlichen Tätigkeit in der Praxis eins der wichtigsten Gebote, niemals selbst Unrecht zu begehen oder andere darin zu unterstützen. Mir war damals allerdings noch nicht so klar wie heute, dass dieses Gebot mehr oder weniger zu einer täglichen Aufgabe werden würde. 

 

Schon in den ersten drei Jahren meiner theoretischen Ausbildung bei der Landespolizei in Niedersachsen erkannte ich, dass Recht und Gerechtigkeit den allerhöchsten Stellwert in einem Staat haben müssen. Das wurde auch in allen Rechtsfächern täglich laut getrommelt. Dieser Gedanke brannte sich bei mir aber offensichtlich viel tiefer ein, als das bei vielen anderen Beamten und Richtern der Fall war. Ich konnte später auch feststellen (im Rahmen der weiteren jahrelangen theoretischen Ausbildung), dass andere Beamte (Richter) derartige Gebote durchaus schon mal ignorierten. Das war vielfach schon grenzwertig.

 

Allerdings war das noch gar nichts gegen die Erfahrungen im Rahmen der praktischen Arbeit. Ich erkannte, dass viele Beamte und Richter die Gesetze oftmals nur noch als allgemeine "Denkmuster" oder "Handlungsempfehlungen" ansahen. Es gab deswegen mehr als einmal Konflikte. 

 

Ich will hier allerdings nicht den Eindruck vermitteln, dass ich als Gott der irdischen Gerechtigkeit auftrat und mit dem Flammenschwert herumgefuchtelt habe. Ich bin absoluter Realist und verfolge nur solche Ziele, die auch wirklich umsetzbar sind. Die Grundsätze galten (und gelten) in erster Linie für mein eigenes Handeln und für die Fälle, in denen ich mitwirkte oder die Verantwortung trug. Aber schon das reichte immer mal wieder aus, um mich "unbeliebt zu machen".

 

Ein ebenfalls leitender Beamter wollte Mitte der 1980er Jahre verhindern, dass ich in seine Behörde versetzt werde.

 

Begründung: "Herr Brasche erzeugt immer wieder soziale Unruhe.

Er stellt Mass-Stäbe auf, die niemand erfüllen kann und vor allem auch gar nicht will".

 

Ahnen sie jetzt, weshalb meine Bücher verschwunden sind?

 

Einige Jahre vorher (Anfang der 1980er Jahre) war ich, bedingt durch einen dienstlichen Anlass, mit einigen ehrenwerten Professoren der BWG (Braunschweigische Wissenschaftliche Gesellschaft) in eine längere tiefgründige Diskussion abgeglitten. Es waren durchgehend schon recht betagte emeritierte Professoren. Ich war damals im Stabsbereich der Abteilung Kriminalpolizei in Braunschweig tätig.

 

Sie wollten viel über die allgemeine Lage innerhalb der  Sicherheitsbehörden (Polizei usw.) wissen. Ausserdem wollten sie wissen, in welchem Mass das Handeln der Justiz die gesetzlichen Aufträge der Polizei unterstützt. Letztlich wollten sie auch etwas über meine eigenen Erfahrungen, meine berufsethische Grundsätze und meine Philosophie erfahren. So, wie ich bin, redete ich frei und offen über die Grundsätze, die meine Arbeit bestimmen.

 

Nach einiger Zeit sahen sich plötzlich alle sehr erschrocken an und sagten wie aus einem Mund: Herr Brasche, sie haben sich auf einen sehr gefährlichen Weg begeben. Ihre Gedanken sind völlig richtig, ihren Weg beschreiten sie offensichtlich aus Überzeugung und mit sehr viel Mut. Aber wenn sie den weitergehen, dann werden sie bald in Lebensgefahr schweben.

 

"In ihrem jetzigen Tätigkeitsbereich wird man bald versuchen, sie aus dem Weg zu räumen. Da kann man keine Idealisten gebrauchen, da will man nur bedenkenfreie Vollstrecker".

 

Schliessen Sie ihr Jura-Studium ab und übernehmen am besten einen Lehrstuhl für Rechts-Philosophie, dann können sie viel mehr erreichen und sind aus der Gefahrenzone.

 

Ich war zunächst etwas empört, weil ich meinen Berufsstand zu Unrecht am Pranger sah. Im Verlauf der weiteren Diskussion untermauerten sie ihre Ausführungen aber so deutlich, dass ich sehr nachdenklich wurde. Letztlich war es ein weiterer Impuls für die Ausdehnung meiner Forschungen, die sie auch unterstützten. Mir wurde klar, dass ich immer noch zu "tafelblind und zu blauäugig" war, wenn ich den Zustand im System der Justiz und der inneren Sicherheit beschrieb.  

 

Ich habe danach allerdings kaum noch über meine grundsätzliche Einstellung gesprochen. Allerdings konnte und wollte ich meine Grundsätze in der dienstlichen Praxis nicht über Bord werfen.

 

So behielten die Herren Professoren aus der Diskussionsrunde am Ende doch Recht… In der Nacht zum 29.11.1993 wurde ich Opfer eines Anschlags auf dem Gelände meiner Dienstelle. 

 

...

 

Ich gehe davon aus, dass Sie inzwischen erkannt haben, dass ein falscher Verdacht kein Problem ist, durch das nur einzelne Menschen "vorübergehend" belastet werden.

 

In den folgenden Unterabschnitten geht es um konkrete  Fragen zu diesem Thema.

 

2015, aktualisiert: 14.06.2015, >25.10.2015 >19.06.2023

 

Version 004

 

 

 

Weiter geht es mit diesen Themen: (alte Version)

 

D 20.1 - Falscher Verdacht - Grundsatzfragen

D 20.2 - Grundsätzliche Probleme für Betroffene

D 20.3 - Ablauf eines Strafverfahrens

D 20.4 - Falscher Verdacht - Verurteilt

D 20.5 - Falscher Verdacht - Rechtsmittel

D 20.6 - Falscher Verdacht - Wiederaufnahme

D 20.7 - weitere Unterthemen geplant

 

 

©  NETZWERKRECHTSSTAAT.DE 

    c/o Hans-Guenter Brasche, 2012 - 2023

 

Hinweis: Es darf alles kopiert und weitergegeben werden. Die Voraussetzung ist: Die Publikation der einzelnen Abschnitte, Texte oder Dossiers erfolgt ungekürzt, unverfälscht und unter deutlichem Hinweis auf mein Copyright.

 

Kommerzielle Nutzung bedarf meiner ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung.

 

 

 

Druckversion | Sitemap
© NETZWERKRECHTSSTAAT.DE - c/o Hans-Guenter Brasche, 2024 - Es darf alles kopiert und weitergegeben werden. Voraussetzung: Die Publikation der einzelnen Abschnitte, Texte oder Dossiers erfolgt ungekürzt, unverfälscht und unter deutlichem Hinweis auf mein Copyright. Kommerzielle Nutzung bedarf meiner ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung.