ZT 05.1 - Macht - Machtmissbrauch

 

 

 

1. Was ist Macht?

2. Gute oder böse Macht?

3. Was ist Machtmissbrauch?

 

Das Wort "Machtmissbrauch" geht vielen Menschen inzwischen flüssig über die Lippen, wird vielfach im Alltag gebraucht, unzutreffend oder zutreffend, berechtigt oder unberechtigt. Doch bevor wir uns damit beschäftigen müssen wir die Grundfrage klären:

 

1. "Was ist denn eigentlich Macht"?

 

Wenn Sie jetzt einen Moment innehalten und versuchen selbst eine einfache Definition zu finden, dann werden sie, so wie ich auch, ganz schnell erkennen, dass es ein Wort ist hinter dem sich unzählige andere Begriffe, Beziehungen und Wechselwirkungen verstecken. So einfach erklärt ist das gar nicht.

 

Im Rahmen meiner Forschungen habe ich das Thema "Macht" oft genug zum Gegenstand verdeckter Befragungen gemacht. Niemals so, dass jemand merken konnte, was ich eigentlich wissen wollte. Die meisten Befragten antworteten im Regelfall (nach meist langen Überlegungen) sinngemäss so, wie ich das hier auf einen Nenner gebracht habe:

 

"Macht ist, wenn man jemandem sagen kann,

 was er tun soll".

 

"Und wenn man ihn irgendwie dazu bringen kann,

dass er das auch tut was man ihm sagt".

 

Das ist es, das ist Macht.

 

Jetzt wissen wir schon ziemlich genau was Macht ist, sind aber eigentlich auch noch viel weiter. Denn jetzt müssen wir noch eingrenzen was "Macht-Missbrauch" ist, denn darum geht es.

 

Macht spielt in allen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens eine grössere Rolle als man im ersten Moment denkt.

 

Wir müssen aber unterscheiden zwischen:

 

Informeller und formeller Macht.

 

Die informelle Ausübung der Macht läuft meistens so subtil ab, dass wir das gar nicht wahrnehmen. Schon wenn zwei Menschen gemeinsam etwas unternehmen wollen, stellt sich die Machtfrage: Was machen wir, wo geht es hin?

 

So geht es eigentlich den ganzen Tag und am Ende stellt sich dann sogar die Frage: "Wann gehen wir ins Bett?"  Einer von beiden hat die besseren Argumente und kann dadurch im Moment Macht ausüben, andererseits kommt es auch schon auf die Rollenverteilung in dieser Zweierbeziehung an. Es ist oft so, dass einer mehr oder weniger regelmässig die Entscheidungen trifft. Wenn beide damit zufrieden sind ist das völlig in Ordnung so.

 

Obwohl Machtfragen im zwischenmenschlichen Bereich, in den Kleingruppen und im Alltagsgeschehen sicher interessant sind, für das Thema blenden wird das mal aus.

 

Hier geht es zweifellos eher um die Fragen der "formellen Machtausübung". Wenn der Staat einzelnen Bürgern verpflichtende Weisungen gibt, bestimmten Gruppen von Bürgern oder auch allen im Staat lebenden Menschen. Es gibt in diesem Zusammenhang viel Konfliktpotential, z. B. wenn einzelne Bürger staatlichen Organen Fehlentscheidungen vorwerfen, wenn Firmen und Konzerne versuchen den Staat unter Druck zu setzen. Nicht zu vergessen: Staat kontra Gewerkschaften, Kirchen, Interessenverbände usw.

 

Fernerhin auch um die Fälle, in denen im ausserstaatlichen Bereich Monopole oder monopolgleiche Rechte dazu führen, dass es zur Unterdrückung verfassungsmässig verbriefter Rechte kommt. Dadurch wird die Allgemeinheit regelmässig schwer geschädigt.

 

Besonders spannend wird es da, wo es um das "hoheitliche Handeln des Staates" geht. Also wenn der Staat z. B. durch seine besonderen Organe, wie Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht usw.  in gestörte Abläufe im Alltagsgeschehen eingreift oder eingreifen muss.

 

Ein Sonderfall muss auch schon an dieser Stelle erwähnt werden: Der Umgang des Staates mit seinen wichtigsten Garanten, mit den Beamten und Richtern. Was passiert, wenn die etwas einfordern oder wenn die etwas kritisieren? Ein sehr spannendes Thema. Die meisten Bürger verstehen mit Sicherheit bisher nicht ansatzweise, dass es hierbei vielfach um den Bestand des Staates und der Demokratie geht.

 

  • Getoppt werden kann das nur noch durch Fälle, die durch Kreuzungs- oder Berührungspunkte mit parteipolitischen Interessen beschwert sind oder durch Korruption.
  • Staatliche Machtstrukturen sind zweifelsfrei notwendig. Kein Staat ist überlebensfähig, wenn dessen Organe keine Macht ausüben und durchsetzen können.

 

Gerade die Demokratie braucht klare Regeln. Die Einhaltung muss sogar sehr sorgfältig überwacht werden, weil demokratische Staaten sich gegen Unterwanderung und alle anderen destabilisierenden Einflüsse viel schwerer wehren können, als die Staaten, die durch andere Staats- und Regierungsformen grundsätzlich besser abgeschottet sind.

 

Die wichtigste Voraussetzung ist allerdings, dass der Machtapparat eines demokratischen Staates nicht selbst zum Problem wird! 

 

2. Gute oder böse Macht?

 

Ob die die jeweilig ausgeübte Macht gut oder böse ist lässt sich an vier ganz einfachen Parametern feststellen. Es kann Kombinationen geben, allerdings reicht es für die Vorprüfung vollkommen aus, wenn ein Element zutrifft.

 

Das Prüfungs-Schema:

 

A - Rechtswidriges Ausnutzen einer Machtposition zur Erlangung von unverdienten Vorteilen, die bei Beachtung aller Regeln und Gesetze sonst nicht zu erlangen wären.

 

B - Rechtswidriges Ausnutzen einer Machtposition zur Vermeidung von Nachteilen, die infolge von vorangegangenem gesetz- oder sonstigem regelwidrigem Verhalten eintreten würden.

 

C - Rechtswidrige Ausnutzung einer Machtposition um anderen Personen einen unverdienten Vorteil zu verschaffen oder um sie vor den Folgen gesetzeswidrigen oder sonstigem regelwidrigen Verhalten zu schützen.

 

D - Jede sach- und tatsachenwidrige Entscheidung oder Handlung, egal ob vorsätzlich oder fahrlässig, die unter Missachtung von Gesetzes- oder Verfassungsrecht durchgesetzt wird ist Machtmissbrauch, wenn die Auswirkungen rechtswidrig Einzelne oder die Allgemeinheit schädigen. Das gleiche gilt für die Missachtung eindeutiger wissenschaftlicher Erkenntnisse, Missachtung logischer Grundtatsachen oder sonstiger relevanter Details oder Zusammenhänge. Dabei ist es völlig unerheblich ob der jeweilige Entscheidungsträger eigene Vorteile erlangt oder persönliche Nachteile abwehren will. Es ist ebenfalls nicht von Bedeutung ob die Prüfungsansätze A - C dabei auch eine Rolle spielen.

 

Das ist das "Grund-Prüfungs-Schema". Mehr muss man zunächst gar nicht überprüfen. In den Fällen konkreter Gesetzesanwendung (z.B.) muss man allerdings die entsprechenden Regeln, insbesondere die Gesetze, wenigstens halbwegs kennen. Gefühl und Wellenschlag reichen da nicht aus.

 

Es ist grundsätzlich gar nicht so schwierig gute und böse Machtausübung zu unterscheiden.

 

3. Machtmissbrauch

 

Macht-Missbrauch ist immer rechtswidrig,

da gibt es nichts zu beschönigen

 und zumindest im Rahmen der formellen Machtausübung

auch stets strafrechtlich relevant.

 

Die rechtliche Klärung kann aber manchmal extrem schwierig sein, weil nicht immer alle Gesetze so aufgebaut sind, dass sich die Tatbestandsmerkmale problemlos bei der Subsumtion zuordnen lassen.

 

Hier kommt das Thema Lobbyismus ins Spiel (ZT 06), der dazu führt, dass von den Lobbyisten schon Sollbruchstellen oder Schlupflöcher in Gesetze eingeplant werden.

 

Das führt dazu, dass die Ermittlungsbehörden plötzlich vor einem Verfahrenshindernis stehen oder den Richtern sind die Hände gefesselt, wenn es um einen Korruptionsfall geht. Moralisch gesehen begehen sie Unrecht dadurch, dass sie sich an das Gesetz halten.

 

Dann wird, wie so oft die vorverlegte Schuld der Parlamentarier sichtbar, die manchmal lieber Sudoku spielen, als sich genauer mit den Gesetzesvorlagen zu beschäftigen bzw. die jeweilige Problematik überhaupt näher zu ergründen.

 

Nur deshalb kann immer wieder jeweils eine kleine Gruppe von beeinflussten Parlamentariern die von Lobbyisten gewünschten Gesetze durchdrücken oder sie umgehen (wie z.B. beim "Börsen-Stripping", besser als Cum-Ex-Geschäfte bekannt, durch die Aktienhändler Steuern erstattet bekamen, die sie nie bezahlt haben).

 

Noch lustiger geht es dann zu, wenn die Gesetze von der Exekutive überwacht und durchgesetzt werden sollen. Auch hier spielt die "milde Erscheinungsform" der Korruption wieder eine Rolle, weil die jeweils interessanten Beamten von der jeweiligen Lobbygruppe unter Umständen schon lange vor jedem Sündenfall eingekauft werden.

 

Ich gehe davon aus, dass die grundsätzlichen Fragen zu Macht und Machmissbrauch nachvollziehbar geworden sind.

 

Vielfach entstehen Machtpositionen auf Grund ganz anders gedachter Grundideen und werden irgendwann umfunktioniert. Zunehmend öfter werden Machtpositionen aber auch gezielt entwickelt, um auf deren Basis rechtswidrig Vorteile zu erlangen oder Nachteile abzuwehren.

 

Am gefährlichsten wirken sich jene Korruptionsvorgänge aus, die auf der Basis gesetzlich verankerter Machtpositionen entstehen und die nur deshalb möglich sind, weil in Organisationsgebilden (oder auch nur Teilen) demokratische durch autokratische Handlungsmuster ersetzt werden.

 

Das beginnt oft schleichend und wird lange nicht wahrgenommen. Das kann ganze Staaten betreffen, einzelne Ministerien, einzelne Behörden, einzelne Abteilungen, Betriebe, Banken, Gewerkschaften, Kirchen, Versicherungen und politische Parteien, zum Beispiel.

 

Im Rahmen meiner Forschungen konnte ich feststellen, dass derartige Entwicklungen oft nicht auf vorsätzliche Einflüsse zurückzuführen sind. Es gibt aber nur wenige Menschen, die versuchen solche Entwicklungen aufzuhalten oder die versuchen sie wieder zu beseitigen.

 

An diesem Punkt beginnt bereits der Übergang zu ZT 06: Korruption. Denn ohne das Phänomen der Korruption würde es weder Machtmissbrauch noch Willkür geben. Die allgemeine Bedeutung des Begriffs Korruption: "Verfall der guten Sitten". 

 

Für alle, die über das Thema Macht noch mehr wissen möchten habe ich zwei Auszüge aus Wikipedia und einem Politiklexikon eingefügt:

 

Zitat 1:

 

"Als sozialwissenschaftlicher Begriff bezeichnet Macht einerseits die Fähigkeit, auf das Verhalten und Denken von Personen und sozialen Gruppen einzuwirken, andererseits die Fähigkeit, Ziele zu erreichen, ohne sich äußeren Ansprüchen unterwerfen zu müssen. Die beiden Sichtweisen werden auch als „Macht über“ und „Macht zu“ bezeichnet. Macht gilt als zentraler Begriff der Sozialwissenschaften und ist als solcher in seinem Bedeutungsumfang umstritten (essentially contested).

 

Machtverhältnisse beschreiben mehrseitige (Austausch-)Verhältnisse, bei denen oft eine Seite über größere Macht verfügt (zum Beispiel durch Belohnung, Bestrafung, Wissen) und das von anderer Seite akzeptiert wird. Es wird auf Widerspruch verzichtet, nichts gegen die Ausübung der Macht unternommen oder die andere Seite lässt sich zu Duldung oder Befolgung zwingen.

 

Macht spielt praktisch in allen Formen des menschlichen Zusammenlebens eine Rolle und bedingt auf unterschiedliche Weise das Entstehen von Sozialstrukturen mit ausdifferenzierten persönlichen, sozialen oder strukturellen Einflusspotenzialen. Mit Bezug auf die Etymologie von „Macht“ kann der Begriff auch so verstanden werden, dass soziale Macht nur einen – wenn auch sehr bedeutenden – Unterfall eines grundsätzlicheren Machtbegriffs bildet."

 

Zitat 1-Ende

 

 

Zitat 2:

 

Macht in der Organisationstheorie

 

Innerhalb der Organisationstheorie definiert Henry Mintzberg Macht in Organisationen wie folgt:

 

„Macht ist die Fähigkeit organisatorische Ergebnisse zu bewirken oder zu beeinflussen“    

 

Diese auf Organisationen eingeschränkte Begriffsbestimmung kann auch bei der Betrachtung anderer Bereiche hilfreich sein.

 

Allgemeiner sehen daher Mallory, Segal-Horn und Lovitt Macht als

 

„[…] die Fähigkeit von A, B dazu zu bringen etwas zu tun, was er ansonsten nicht getan hätte.

 

Zitat-Ende

 

Noch eine weitere Definition:

 

Zitat 3:

 

"M. ist ein politisch-soziologischer Grundbegriff, der für Abhängigkeits- oder Überlegenheitsverhältnisse verwendet wird, d. h. für die Möglichkeit der M.-Habenden, ohne Zustimmung, gegen den Willen oder trotz Widerstandes anderer die eigenen Ziele durchzusetzen und zu verwirklichen. M. kann von Personen, Gruppen, Organisationen (Parteien, Verbänden, Behörden) bzw. dem Staat ausgeübt werden oder von gesellschaftlichen (wirtschaftlichen, technischen, rechtlichen, kulturell-religiös geprägten) Strukturen ausgehen. Demzufolge wird zwischen persönlicher und sozialer M. sowie M.-Strukturen unterschieden. Entsprechend ihrer (sozialen) Entwicklung verfügen alle Gesellschaften über unterschiedliche (persönliche, soziale, anonyme) M.-Positionen. M.-Verhältnisse beschreiben immer zweiseitige (Austausch-)Verhältnisse, bei denen eine Seite über (mehr oder weniger) Macht verfügt (z. B. über Belohnung, Bestrafung) und Einfluss nehmen kann (z. B. über Anreize, Wissen) und die andere Seite dies (positiv) akzeptiert, keinen Widerspruch erhebt bzw. nichts gegen die Ausübung der M. unternimmt oder zur Duldung oder Befolgung gezwungen wird. Probleme der M.-Ausübung können dadurch verstärkt werden, dass keine persönliche Zuordnung der ausgeübten M. mehr möglich ist, weil M. anonym (z. B. aufgrund wissenschaftlich-technischer, wirtschaftlich-technischer Strukturen oder Sachzwänge) ausgeübt wird. Da M. ein generelles Phänomen sozialer Gemeinschaften ist, bleibt es eine dauerhafte politische und soziale sowie ethische und erzieherische Aufgabe, Missbrauch von M. zu verhindern. In der politischen Praxis wurden hierfür entwickelt: a) institutionelle Beschränkungen (durch Gewaltenteilung, Rechtsordnung, zeitliche Begrenzung), b) das politisch-soziale Prinzip der Gegenmachtbildung (Checks and Balances) und das Prinzip der Öffentlichkeit (Information, Transparenz, öffentliche Auseinandersetzung) und c) vertragliche und rechtliche Formen freiwilligen Verzichts auf Ausübung oder Nutzung vorhandener Macht (z. B. zwischen Staaten). Können M.-Verhältnisse auf Dauer errichtet werden und prägen sie entsprechende soziale Regeln und Ordnungen, wird dies soziologisch als legitime Machtausübung bzw. legitime Herrschaft bezeichnet."

 

Quelle: Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. 5., aktual. Aufl. Bonn: Dietz 2011.

Bundeszentrale für politische Bildung,

http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/handwoerterbuch-politisches-system/

 

Zitat-Ende

 

Man sieht, wie vielfältig dieses "einfache Wort" interpretiert werden kann. Aber grundsätzlich weiss ja jetzt jeder zumindest ungefähr warum es geht.

 

Weiter mit 05.2 - WillkürWillkuer

 

20.12.2012 aktualisiert: 15.03.2015> 23.01.2020 >19.06.2023

 

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